Reisebericht 2019 - Juli

Mit vielen Erwartungen und anstehenden Entscheidungen wurde die Reise nach Pakistan am 11.06. 2019 angetreten. Es war eine sehr schöne und erlebnisreiche Reise, geprägt durch das Wiedersehen mit vielen Freunden und Familien, Kontakten, die in den letzten 20 Jahren entstanden sind. Hauptereignis war natürlich die Eröffnung des Mädchenwohnheimes in Karimabad, aber auch der Schulbesuch in Shimshal und der Besuch des Polofestivals in Shandur. 

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Mit dem Reisebegleiter Josef Schmeh ging es von Friedrichshafen über Istanbul direkt nach Islamabad. Qudrat Ali Shah (ein Freund seit 20 Jahren und 2. Vorsitzender der Partnerorganisation Rural Education and Development Organisation) stand schon bereit, um uns von dem neuen Flughafen in das 20 Kilometer entfernte Islamabad zu bringen.

Nach der Ankunft am 12.06.19 ging es dann bereits am 14. Juni Richtung Norden nach Gilgit und Karimabad. Der Karakorum Highway war wieder durch Erdrutsche sehr schlecht befahrbar, so dass wir erst um Mitternacht das Park Hotel in Gilgit erreichten.

Nach kurzem Aufenthalt dort reisten wir problemlos nach Karimabad weiter, wo dann gleich am Nachmittag das neue Wohnheim besichtigt wurde. Seit dem letzten Besuch Ende September war viel geleistet worden. Zu verdanken ist dies nicht nur dem bewilligten Zusatzantrag vom BMZ, sondern auch dem unermüdlichen Schaffen von Wahab Ali Schah, seines Bruders Qudrat Ali Shah und der vielen Arbeiter. Die Wohn- und Schlafräume sind komplett eingerichtet, die Küche wird durch einen Vorratsraum und ein Esszimmer mit Stühlen und Tischen vervollständigt. Sehr schön ist auch der Computerraum mit Bücherei geworden.

Der ursprünglich geplante Eröffnungstermin wurde vom 21. auf den 30. Juni verschoben. Der Hauptgrund war wohl, dass schlechte Nachrichten von der Besteigung des Lions Melvin Jones Peak im Hindukush bei den Verantwortlichen unseres Projekts eintrafen. Die Seilschaft des besten Freundes von Abbas und Wahab, Imtiyaz Ahmed, war durch eine Lawine vierhundert Meter in die Tiefe gerissen worden. Vier italienische Bergsteiger und zwei Mädchen aus Shimshal überlebten das Unglück verletzt und wurden mit einem Hubschrauber der Armee geborgen. Leider stellte sich dann heraus, dass Imtiyaz noch unter der Lawine begraben war und das Unglück nicht überlebt hat.

Abbas und Wahab hatten dann die Aufgabe, mit mehreren Bergsteigern aus Shimshal den Freund aus dem Berg zu holen und nach Shimshal zu bringen. Imtiyaz war sehr beliebt und geachtet im Dorf, da er sich sozial sehr engagiert hatte. Er hinterlässt eine Frau und vier Kinder.

Wir änderten unsere Reisepläne und fuhren am 21.06.2019 nach Shimshal. Am nächsten Tag erfolgte dann gleich der Besuch der Schule. Die Klassenzimmer sind gut gefüllt, es wird alles an Unterricht angeboten, was notwendig ist. Da sind die Allerkleinsten ab drei Jahren bis zu den Schülern der Klasse 10. Mit diesem Abschluss kann dann ein College oder eine Universität besucht werden. Der Eindruck vom Unterrichtsgeschehen ist sehr gut, es sind genügend Lehrer für alle Fächer vorhanden. Das Management mit dem Aga Khan Education Service funktioniert ausgezeichnet. Wie schon bereits mehrmals ausgeführt, ist dabei die Problematik das hohe Schulgeld, das die Eltern ohne die Hilfe unseres Vereins nicht leisten könnten.

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Im Kindergarten
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Am Nachmittag gab es dann eine Einladung der Gemeinde zum Essen und zu Gesprächen. Shaheen Karim, der President von Shimshal hatte dazu eingeladen. Nach fünf Jahren gibt er nun sein Amt auf und so nimmt er das Treffen zum Anlass, nochmals unserem Verein für die große Hilfe bei der Schule mit sämtlichen Einrichtungen und dem neuen Projekt Mädchenwohnheim in Karimabad zu danken. Ich nutze diese Gelegenheit, unseren Projektpartnern ebenfalls für die hervorragende Leistung, die sie mit der Fertigstellung des Wohnheimes erbracht haben, zu danken.

 

Ich übergebe das Dokument, das die Übergabe der Schule mit sämtlichen Einrichtungen an die Gemeinde Shimshal beurkundet. Unser Verein erklärt darin, dass die Bürgerschaft von Shimshal nun Eigentümer der Schule ist und die Entscheidungsgewalt darüber in ihren Händen liegt. Vor allem ist es nicht erlaubt, dieses Eigentum in den nächsten 30 Jahren zu verkaufen, es soll auch weiterhin den nächsten Generationen erhalten bleiben.

Es ist jedoch erlaubt, das Management der Schule an die Aga Khan Organisation zu delegieren. Mit dieser Organisation muss jedoch neu über das hohe Schulgeld verhandelt werden. Reparaturarbeiten gehen zu Lasten der Gemeinde. Da hier ein totaler Schnitt umgangen und die Situation vermieden werden sollte, dass Eltern von heute auf morgen ohne Unterstützung unseres Vereins sind, wurde dieser Zuschuss für zwei weitere Jahre zugesichert. 

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Shaheen Karim, der noch amtierende President von Shimshal, liest aufmerksam das Schreiben der Übergabe der Schule an die Gemeinde Hassan, seit 2006 Lehrer an unserer Schule, freut sich auf das neue Amt, bleibt aber noch als Lehrer in der Schule
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Unsere Schule wurde an die Gemeinde übergeben

Es wurden bereits fünf Personen aus Shimshal für das Amt des Bürgermeisters nominiert. Bei dieser Kandidatur wird nicht nur auf eine gute Bildung, sondern auch auf die charakterliche Eignung des Bewerbers Wert gelegt. Der Wahlvorschlag geht über das Hauptbüro in Karachi direkt zum Aga Khan, der dann die Entscheidung fällt. Am 11. Juli gab es die große Überraschung: Es ist Hassan, der von Anbeginn als Lehrer in unserer Schule unterrichtet und immer noch dort tätig ist. Nun wurde er für dieses wichtige Amt gewählt. Da es jedoch ein Ehrenamt ist, bleibt er unserer Schule weiterhin erhalten. Gewählt wurde auch der gesamte Gemeinderat. Auch hier gab es positive Veränderungen, es sind jetzt dort auch junge Leute vertreten.

Die letzten Tage in Shimshal waren sehr kalt und ein eisiger Wind wehte durch das Dorf. Es galt nun, das Dorf zu verlassen, um rechtzeitig in Karimabad bei der Eröffnung zu sein. Für mich selbst war damit die Hoffnung verbunden, in dem warmen Hunza eine Besserung meiner starken Erkältung zu erreichen. Am 30. Juni kam dann der große Tag der Eröffnung des Wohnheimes. Nach einer langen Antragszeit wurde die Finanzierung vom Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit zum 01.05.2017 genehmigt. Unser Verein musste eine Selbstbeteiligung in Höhe von 10 Prozent aufbringen, die durch Nachlässe und den Erlös vom Adventsmarkt in Hamburg Hamm aufgebracht werden konnte.

Mit der Fertigstellung dieses Projektes ist es möglich, 80 bis 100 Mädchen für eine Weiter- oder Berufsausbildung dort unter zu bringen. Bislang wurde bereits der Aufenthalt von 10 bis 15 Mädchen in einem kommerziell geführten Wohnheim unterstützt. Nun ist es nicht nur für Wenige möglich, in Karimabad das College, eine Zweigstelle der nahe gelegenen Karakorum Universität, zu besuchen. Ab dem 01. August, nach Ende der Ferienzeit, kommen auch Bedürftige vom Chapursan Tal, Ishkoman, Yasin Valley, Sost und anderen abgelegenen Orten. Auch für Frauen, die an einer Berufsausbildung teilnehmen wollen, sind Plätze reserviert.

Der Innenhof ist bestuhlt für die vielen Gäste aus Shimshal und Hunza. Im großen Speisesaal haben wichtige Gäste wie der Generalkonsul von Hunza und die Präsidenten der nördlichen Gebiete Platz genommen. Viele Arbeiter und eine große Anzahl von Frauen befinden sich im Innenbereich des Gebäudes.

Zur Eröffnung singt eine der Wohnheimbewohnerinnen ein schönes religiöses Lied. Danach gibt es viele Reden zu diesem Anlass. Die schon länger angestellte Hausdame Hussn informiert in ihrer Rede über die Hausregeln, die die Bewohnerinnen einhalten müssen. Insgesamt sind es 13 Punkte, die auch in der Anmeldemappe aufgeführt sind.

Auch ich bringe in einer Rede meine Freude zum Ausdruck, dass dieses Gebäude in der vorgesehenen Zeit fertig geworden ist und vielen Mädchen und Frauen die Möglichkeit einer Weiter- und Bildung gibt. Der Dank gilt auch dem Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit, denn ohne diese Zuwendung wäre der Bau nicht möglich gewesen.

Leider konnte unser 2. Vorsitzende Klaus Kiehling nicht an diesem großen Tag teilnehmen, ich überbrachte seine Grüße, sowie die Grüße von Mitgliedern und Freunden unseres Vereins.
 

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Im Speisesaal des Wohnheimes beginnt die offizielle Eröffnungsfeier. Kharim Khan, links, leitet das Festprogramm.

Karim Khan, ein wahres Energiebündel, was die Erhaltung alter Kulturen betrifft, leitet das festliche Geschehen. Außer dass er die vielen Sprachen des Nordens beherrscht, spricht er auch noch exzellent Englisch und Französisch und ist Verfasser einiger Bücher über verschiedene Sprachen. Die Überraschung war ganz auf meiner Seite, als er unser erstes Kennenlernen zum Besten gibt.

Es war 1999, als ich nach einer Tour über die beiden Gletscher Biafo und Hispar noch eine Kameltour durch die Wüste von Belutschistan machte. Wir befanden uns auf einer Hauptschmugglerroute, die von Afghanistan über den Iran bis zum Arabischen Meer führte, als er mich nachts vor meinem Zelt antraf, während ich gerade fasziniert den grandiosen Sternenhimmel betrachtete.

Er sagte zu mir, dass ich unbedingt in seinen Heimatort Shimshal kommen müsste, denn dort und auf den Hochweiden im Pamir wäre der Sternenhimmel noch viel eindrucksvoller und schöner. Vor allem wären die dort lebenden Yaks viel anmutiger und nicht so stur wie die Kamele. Das weckte mein Interesse für Shimshal und nun war ich in der Zwischenzeit 20 Mal dort.

Danach gibt es im Hof das angelieferte Essen, aber auch in der Küche herrscht reges Treiben. Die bereits eingezogenen Bewohnerinnen waren dort beschäftigt, um für das Wohl der Gäste zu sorgen. Ein sehr schöner und eindrucksvoller Tag für alle. 

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Links der Regionalpresident von Hunza , neben ihm die Frauenbeauftragte
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Der Regionalpresident besichtigt die Bücherei und den Computerraum

Die nächsten Tage sind ausgefüllt mit Abrechnungsarbeiten für das Gebäude. Hier ist Abbas der kompetente Ansprechpartner.

Jedes Jahr findet Anfang Juli das große Polo Festival in Shandur statt. Bekannt deshalb, weil es mit 2.800 m Höhe das höchstgelegenste der Welt ist. Shandur verbindet Chitral mit Gilgit, und ist von dort in 210 Kilometer zu erreichen, jedoch überwiegend auf unbefestigten Straßen, was für Fahrer und Insassen eine Herausforderung ist.

Und so machen wir uns auf den Weg, zumal ich es Altaf, einem bekannten Polospieler aus Gilgit, fest versprochen hatte. Was uns erwartet, ist eine große Zeltstadt, die gut und gerne 20.000 Menschen beherbergt. Außerdem Händler, die alles anbieten, was man sich nur denken kann. Der Höhepunkt ist das Polo spiel selbst. In Pakistan werden 2 x 25 Minuten mit einer Pause gespielt, begleitet von einer lautstarken lokalen Musikband. Gewonnen hat am Ende aber leider die Mannschaft aus Chitral und nicht Gilgit.

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Shandur liegt 2.800 m hoch, eine große Belastung für die Pferde. Zur Eingewöhnung werden sie schon einen Monat vorher dorthin gebracht.
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Die Pferde sind robust und wendig. Hier Altaf aus Gilgit mit seinem Pferd.

Am 12.07. nehmen wir Abschied von Gilgit und der bereits gebuchte Flug bringt uns in 45 Minuten nach Islamabad. Am Schalter der Airline erfahren wir dann zu unserer großen Überraschung, dass wir bereits am 14. Juli nach Hause fliegen können und so geht die eindrucksvolle Reise zu Ende. 

 

Wilma Rehkugler, 1. Vorsitzende  |  Karin Axtmann, Schriftführerin

 

Um die Projekte am Laufen zu halten und die versprochene Unterstützung für Schule und Wohnheim leisten zu können,
sind wir auch weiterhin auf Spenden angewiesen.


Spendenkonten des Vereins
 

Sparkasse Bodensee:

IBAN: DE92 6905 0001 0020 1366 44 /// SWIFT-BIC: SOLADES1KNZ

Raiffeisenbank Oberteuringen:

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Revision: 19.09.2020 - 11:55